Krimi Teil 4
Krimi Teil 4
Revierinspektorin Klinger saß in ihrem Wiener Büro und ließ ihre Augen nicht vom Bildschirm. Seit geschlagenen drei Stunden durchforstete sie sämtliche Dateien der Interpol nach einem Killer, der prominent genug schien, Aufträge aus der halben Welt zu erhalten. Sie fand es schockierend, wie viele von dieser Sorte durch die Gegend liefen. Doch auf das Profil ihres Täters schien keiner zu passen. Einer wirkte prinzipiell nur auf dem amerikanischen Kontinent, einer war ein Asiate von kleinem Wuchs, ein dritter wiederum ein wahrer Riese, muskelbepackt und grobschlachtig. Klinger seufzte. Dann griff sie zum Telefon und rief direkt bei Interpol an. Nach einigem Hin und Her gelangte sie an die richtige Adresse. Sie schilderte dem Kollegen ihr Problem und fragte dann geradeheraus: „An wen müsste man sich wenden, wenn man als Gangster irgendeine Person ganz sicher aus dem Weg geräumt haben möchte?“ Der Kollege in Lyon zeigte sich ratlos. „Eigentlich käme da nur der Falke in Frage. Aber …“
„Der Falke?“
„Ja, der ist eigentlich Deutscher, ist aber bei ihnen in Wien aufgewachsen. Heißt mit bürgerlichen Namen Hans Gruber. Der Falke wird er genannt, weil er sich bei seinen Aktivitäten immer auf die Opfer wie der Raubvogel gestürzt hat. Aber der kommt eigentlich auch nicht in Frage, weil er seit längerem abgetaucht ist.“
„Abgetaucht? Was heißt das?“
„Na ja, er hat uns jahrelang an der Nase herumgeführt. Er hinterließ immer seine Signatur am Tatort, eine Socke.“
Klinger lachte auf. „Wie bitte?“
„Ja, eine Socke. Es gibt da eine Bekleidungsfirma, die Socken herstellt. Die heißt auch Falke. So hat er quasi belegt, dass er der Täter ist. Wie auch immer, seit Monaten gab es keinen Fall mit einer Socke mehr. Daher …“
Klinger suchte und fand Hans Gruber in den polizeilichen Datenbanken. Es gab sogar ein paar verschwommene Fotos, die aber immerhin deutlich genug waren, um zu zeigen, dass Gruber ein harter Hund war. So einer würde keine Psychopharmaka benötigen, um seine Morde zu begehen. Sie wollte die Datei schon wieder schließen, als ihr ein Foto auffiel. Es zeigte Gruber vor der Paulus Apotheke in Wien-Landstraße. Er schien sich mit jemandem sehr vertraut zu unterhalten. Klinger optimierte die Bildqualität und bekam schließlich ein recht brauchbares Porträt des Gesprächspartners, der offenbar in besagter Apotheke arbeitete. Und Klinger hatte eine Idee.
20 Minuten später hielt sie das Bild der Inhaberin unter die Nase. „Kennen Sie den Herrn?“ Die Pharmazeutin betrachtete die Fotografie nur kurz, dann nickte sie. „Ja, der hat hier bei uns eine kleine Weile gearbeitet, war aber nicht sonderlich belastbar. Hat sich immer alles sehr zu Herzen genommen.“
„Und wie heißt der?“
„Gruber. Simon Peter Gruber. Aber warum wollen Sie das wissen?“
„Reine Routine. Vielen Dank.“
Klinger brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass Simon Peter Gruber der Bruder des Falken war. Er hatte erst in Hütteldorf in der Germania Apotheke gearbeitet, später dann eben bei Paulus auf der Landstraße. Die Revierinspektorin erinnerte sich daran, dass auch die Schwenk Apotheke in Meidling zu Team Santé gehört hatte. Ihr kam eine Idee. Penibel ging sie noch einmal die Fallakten durch. In allen Fällen hatte es sich um Apotheken der Team Santé Gruppe gehandelt. Gruber verließ sich nicht auf die Künste anderer Pharmazeuten, nein, er war stets in einen Betrieb jenes Unternehmens gegangen, bei dem er selbst einst gearbeitet hatte.
Sie ging auf die Website der Gruppe. Dort gab es noch eine Adler Apotheke in Krems, eine Salvator Apotheke in Eisenstadt, eine Wieneu in Wiener Neudorf und schließlich noch eine vierte in Hausmannstätten. Und ausgerechnet bei dieser wurde sie fündig. „Ja“, erklärte man ihr, ein Simon Gruber arbeite als pharmazeutischer Mitarbeiter. „Haben Sie seine Adresse?“
Es war fünf Uhr morgens, als Revierinspektorin Klinger mit fünf steirischen Kollegen vor Grubers Tür stand. Der Mann sah erbärmlich aus. „Bitte, Frau Inspektor. Ein Xanor. Dann steh‘ ich Ihnen zur Verfügung.“
„Wissen Sie“, begann Gruber, als er wieder halbwegs klar denken konnte, „mein Bruder, der war immer schon der Überflieger. Ich habe natürlich gewusst, womit er seinen Lebensunterhalt verdient. Aber was soll ich machen, er ist halt mein Bruder. Und vor drei Wochen hat er mich plötzlich aus Dubai kontaktiert. Hat mir gesagt, dass er dort einige kosmetische Operationen über sich ergehen lassen muss, weil er sonst bald auffliegt. Dummerweise hat er vorher aber noch ein paar Jobs übernommen, und er hat gemeint, wenn die nicht erledigt werden, dann wird er erledigt. Und ich gleich mit.“
Gruber war neuerlich am Hyperventilieren. Klinger schob ihm ein Fläschchen Passedan über den Tisch. Mit zitternden Händen öffnete er es und ließ eine satte Zahl an Tropfen in seinen Hals rinnen. „Was hätte ich tun sollen? Er ist doch mein Bruder!“
„Also haben Sie seine Jobs erledigt. Als Aushilfe sozusagen?“
Er nickte matt. Dann sah er der Klinger in die Augen. „Ohne das Psychozeugs hätte ich das nie zusammengebracht.“
„Tja, Herr Gruber. Das werden Sie dort, wo Sie jetzt hinkommen, wohl auch brauchen. Und zwar reichlich, vermute ich einmal.“
Widerstandslos ließ sich Gruber abführen. An der Tür drehte er sich noch einmal um. Klinger blickte hoch. „Könnten Sie mir einen Gefallen machen, Frau Inspektor?“ Sie blieb abwartend. „Könnten Sie mich ab und zu im Knast besuchen kommen und mir Passedan aus einer Team Santé Apotheke bringen? Ich vertraue nämlich nur denen.“